In der idyllischen Stadt Jena haben sich ukrainische Kriegsflüchtlinge in einem emotionalen offenen Brief zu den Zuständen in einer städtischen Gemeinschaftsunterkunft geäußert. Ihre Anschuldigungen reichen von unmenschlicher Behandlung bis hin zu angeblich rechtswidrigen Bedingungen, die das tägliche Leben der Bewohner stark belasten.
Ukrainische Flüchtlinge erheben schwere Vorwürfe gegen Jenaer Unterkunft
Die Kritik entzündete sich an der Unterkunft in der Matthias-Domaschk-Straße im Jenaer Stadtteil Lobeda, wo derzeit 76 vom Krieg gezeichnete Männer, Frauen und Kinder Zuflucht gefunden haben. Viele von ihnen sind schwer verwundet, leiden an Krebserkrankungen oder sind hochbetagt und benötigen umfassende medizinische Versorgung und Pflege. Die Lage ist besonders prekär, da die Unterkunft Teil eines Pflegeheims ist.
Die Flüchtlinge schildern in ihrem eindringlichen Schreiben „eklatante Missstände“, die ein menschenwürdiges Zusammenleben unmöglich machen. Sie fordern eine Behandlung, die von Menschlichkeit und Gerechtigkeit geprägt ist. Ein zentraler Punkt ihrer Beschwerde ist das Verhalten der Sicherheitspersonal, das angeblich durch „willkürliche Behandlung und Schikane“ auffällt. Berichte über aggressive Töne, Schreie und unerlaubte Zimmerdurchsuchungen – teilweise in Abwesenheit der Bewohner – sowie Taschenkontrollen, zeugen von einer Atmosphäre der Einschüchterung. Diese Praktiken, so die Ukrainer, verstoßen klar gegen deutsches Recht.
Darüber hinaus monieren die Bewohner die mangelnde Qualifikation der Heimleitung und werfen ihr vor, russischsprachiges Personal systematisch zu entlassen oder zu versetzen. Proteste und Kritik würden ignoriert oder mit Strafen beantwortet.
Die Verpflegungssituation ist ebenfalls ein Dorn im Auge der Geflüchteten. Eine obligatorische Zahlung von 150 Euro monatlich für die Pflegeheimverpflegung, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme oder individuellen Bedürfnissen, wird scharf kritisiert. Selbst für Kleinkinder werde dieser Betrag erhoben. Die eingeschränkte Möglichkeit, selbst zu kochen, und die unzureichenden finanziellen Mittel aufgrund dieser Zwangsabgabe verschärfen die Lage zusätzlich. Hygienemängel bei der Essensausgabe im gemeinsamen Speisesaal sind weitere Punkte der Beanstandung.
Die Wohnsituation wird als unzureichend beschrieben: Es fehle an Platz für Kinder zum Spielen und an geeigneten Räumlichkeiten für Familien. Die Notwendigkeit, Zimmer mit Personen zu teilen, die unter unterschiedlichen Krankheiten und Traumata leiden, führt zu einer erheblichen emotionalen Belastung für die Bewohner.
Die Flüchtlinge fordern daher unmissverständlich:
- Einen sofortigen Wechsel der Heimleitung und die Einsetzung einer qualifizierten, sozialwissenschaftlich geschulten Person.
- Ein Ende der unrechtmäßigen Zimmerdurchsuchungen und Taschenkontrollen durch das Sicherheitspersonal, um die Privatsphäre der Bewohner zu gewährleisten.
- Freie Bewegung und keine Überwachung außerhalb der Unterkunft.
- Die Möglichkeit zur Selbstversorgung und Befreiung von den Verpflegungskosten, inklusive Bereitstellung von medizinischen Diäten.
- Eine angepasste Gesundheitsversorgung, die alle ärztlichen Atteste und Quarantäne-Maßnahmen berücksichtigt.
- Einzelzimmer für traumatisierte Erwachsene mit weiteren Erkrankungen.
- Unterstützung bei der zeitnahen Unterbringung von Kindern in Kitas und Schulen sowie bei der Wohnungssuche.
Die Stadtverwaltung Jena hat die Vorwürfe bisher als „Einzelmeinung“ abgetan und beteuert, dass kein respektloses Verhalten des Personals festgestellt wurde. Dies weist die Gewerkschaft „Lobeda Solidarisch“ jedoch vehement zurück, indem sie auf mehrere Gespräche und eine Versammlung mit den Flüchtlingen verweist, bei denen die weitreichenden Forderungen gemeinsam formuliert wurden. Ein Krisentreffen mit Vertretern der Stadt ist für heute Nachmittag angesetzt, um die Situation zu klären.
Ein Plädoyer für Menschlichkeit und Verantwortung
Als Journalist/Leser dieses Falles bin ich tief betroffen von den Schilderungen der ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Es ist erschütternd zu sehen, wie Menschen, die bereits unermessliches Leid erfahren haben, in ihrer Zufluchtstätte erneut mit willkürlicher Behandlung und mangelnder Fürsorge konfrontiert werden. Die Behauptung der Stadtverwaltung, es handele sich um eine „Einzelmeinung“, wirkt angesichts der detaillierten und vielschichtigen Kritik, die von einer Gewerkschaft unterstützt wird, zynisch und unverantwortlich.
Kriegsflüchtlinge sind keine Bittsteller, sondern Menschen in größter Not, die Schutz und Unterstützung verdienen. Es ist die moralische Pflicht und die rechtliche Verpflichtung eines jeden Staates und jeder Kommune, ihnen nicht nur ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern auch eine Umgebung, die ihre Heilung und Integration fördert. Das beinhaltet Respekt, Transparenz und die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse.
Dieser Fall in Jena ist ein Weckruf. Er zeigt, dass Bürokratie und mangelnde Empathie schreckliche Auswirkungen haben können. Es ist unerlässlich, dass die Verantwortlichen der Stadt Jena die geäußerten Missstände ernst nehmen, transparent handeln und unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Situation für diese verletzlichen Menschen zu verbessern. Nur so kann das Vertrauen wiederhergestellt werden und Deutschland seiner humanitären Verantwortung gerecht werden.